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Kanzlei mit Vergaberecht für öffentliche Auftraggeber, Vergabestellen sowie Bewerber und Bieter

Begleitung aller Vergabeverfahren, Fachanwalt für Vergaberecht, EU-Vergaberecht, nationales Vergaberecht, e-Vergabe, öffentliche Ausschreibung, Schwellenwerte, Konzessionen, Zuwendungen, GWB, VgV, UGVO, VoB/A, Rüge, Nachprüfungsverfahren, Zuschlag, vorzeitige Beendigung der Vergabe, Schadensersatz, erneute Vergabe

Unabhängig von § 47 Abs. 2 EnWG bestand für einen im Konzessionsverfahren diskriminierten Bewerber erst dann ausreichende Gelegenheit, seine Rechte zu wahren, wenn die in Rede stehende Rechtsverletzung für ihn erkennbar war

a) Wendet der am Stromnetz der Gemeinde bisher Nutzungsberechtigte gegen den Übereig-nungsanspruch des neuen Energieversorgungsunternehmens nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG die Nichtigkeit des Konzessionsvertrags ein, trägt er für die Voraussetzungen dieser Einwendung die Darlegungs- und Beweislast.
b) Zur Schlüssigkeit dieser Einwendung genügt es nicht, einen Fehler bei der Ausschreibung oder bei der Bewertung der Angebote aufzuzeigen. Vielmehr ist auch darzulegen, dass es nach den gesamten Umständen des Falles zumindest möglich ist, dass die Konzessionsver-gabe auf der fehlerhaften Ausschreibung oder der fehlerhaften Angebotsbewertung beruht.
c) Der Konzessionsvertrag ist nicht nichtig, wenn der in seinen Rechten verletzte Beteiligte ausreichend Gelegenheit hatte, vor Abschluss des Vertrages sein Recht auf eine Auswahl-entscheidung zu wahren, die ihn nicht diskriminiert oder unbillig behindert, diese Möglichkeit aber nicht genutzt hat. Dies gilt uneingeschränkt auch für den Altkonzessionär.
d) Schon vor Inkrafttreten des § 47 Abs. 2 EnWG bestand für einen im Konzessionsverfahren diskriminierten Bewerber erst dann ausreichende Gelegenheit, seine Rechte zu wahren, wenn die in Rede stehende Rechtsverletzung für ihn erkennbar war. Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die fehlerhafte Bewertung eines Angebots aus der Information über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung des Angebots nicht hervorgeht.

BGH URTEIL EnZR 116/18 vom 28. Januar 2020 – Stromnetz Steinbach

EnWG § 46 Abs. 2 Satz 2, § 47 Abs. 2; ZPO § 428, § 142

a) Wendet der am Stromnetz der Gemeinde bisher Nutzungsberechtigte gegen den Übereig-nungsanspruch des neuen Energieversorgungsunternehmens nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG die Nichtigkeit des Konzessionsvertrags ein, trägt er für die Voraussetzungen dieser Einwendung die Darlegungs- und Beweislast.
b) Zur Schlüssigkeit dieser Einwendung genügt es nicht, einen Fehler bei der Ausschreibung oder bei der Bewertung der Angebote aufzuzeigen. Vielmehr ist auch darzulegen, dass es nach den gesamten Umständen des Falles zumindest möglich ist, dass die Konzessionsver-gabe auf der fehlerhaften Ausschreibung oder der fehlerhaften Angebotsbewertung beruht.
c) Der Konzessionsvertrag ist nicht nichtig, wenn der in seinen Rechten verletzte Beteiligte ausreichend Gelegenheit hatte, vor Abschluss des Vertrages sein Recht auf eine Auswahl-entscheidung zu wahren, die ihn nicht diskriminiert oder unbillig behindert, diese Möglichkeit aber nicht genutzt hat. Dies gilt uneingeschränkt auch für den Altkonzessionär.
d) Schon vor Inkrafttreten des § 47 Abs. 2 EnWG bestand für einen im Konzessionsverfahren diskriminierten Bewerber erst dann ausreichende Gelegenheit, seine Rechte zu wahren, wenn die in Rede stehende Rechtsverletzung für ihn erkennbar war. Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die fehlerhafte Bewertung eines Angebots aus der Information über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung des Angebots nicht hervorgeht.
BGH, Urteil vom 28. Januar 2020 – EnZR 116/18 – OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2020 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Prof. Dr. Kirchhoff, Dr. Bacher, Dr. Schoppmeyer und die Richterin Dr. Linder
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurück-verwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Eigentümerin des örtlichen Stromverteilernetzes der Streithelferin der Klägerin, das sie zur Durchführung des Netzbetriebs an eine Tochtergesellschaft (im Folgenden: S. GmbH) verpachtet hat. Der von ihr mit der Streithelferin abgeschlossene Konzessionsvertrag wurde zum 1. Juni 2012 beendet.
Nachdem die Streithelferin die bevorstehende Beendigung des Konzes-sionsvertrags bekanntgemacht hatte, bekundeten die Klägerin und die S. GmbH ihr Interesse am Abschluss eines neuen Konzessionsvertrags. Nach Versen-dung einer ersten Bewerberinformation vom 30. Mai 2012 erhielten die Bewer-
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ber mit einer zweiten Bewerberinformation vom 12. März 2013 überarbeitete Vergabeunterlagen, darunter auch eine veränderte und neu gefasste Bewer-tungsmatrix (Anlage K 4). Danach konnten für die Angebote maximal 2500 Punkte vergeben werden. Die Bewerber gaben fristgerecht bis zum 25. März 2013 ihre Angebote ab.
Die Stadtverordnetenversammlung der Streithelferin beschloss am 7. Oktober 2013, den neuen Konzessionsvertrag mit der Klägerin abzuschlie-ßen. Am 7. März 2014 gab der Bürgermeister dies im Bundesanzeiger bekannt. In der Bekanntmachung (Anlage K 8) heißt es:
… Die der Berechnungsmatrix zugrunde gelegten maßgeblichen energiewirt-schaftlichen Zuschlagskriterien gemäß § 1 Abs. 1 EnWG haben ergeben, dass der bezuschlagte Bieter insbesondere über die Anforderung Preisgünstigkeit, hier durch die Höhe des Nutzungsentgeltes und über die Anforderung an die Versorgungssicherheit, hier ausgedrückt durch die sogenannten SAIDI-Werte, das günstigste Angebot abgegeben hat.
Mit Schreiben vom 21. März 2014 äußerte die S. GmbH gegenüber der Streithelferin Bedenken, ob insbesondere die Netzsicherheit und die Umwelt-verträglichkeit ausreichend bei der Bewertung berücksichtigt worden seien. Sie führte dabei aus, es könne kein wirksamer Konzessionsvertrag mit der Klägerin geschlossen werden, so dass ein Anspruch auf Netzübernahme nicht bestehe (Anlage B 14).
Mit Schreiben vom 27. Mai 2014 teilte die Streithelferin der S. GmbH mit, sie beabsichtige, den Stromkonzessionsvertrag mit der Klägerin in der 24. Kalenderwoche 2014 abzuschließen (Anlage K 6). Die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots der S. GmbH seien in der Bekanntma-chung im Bundesanzeiger zu finden. Eine Bewertungsmatrix mit der Auswertung des Angebots der S. GmbH wurde nicht übersandt. Am 31. Juli 2014 wur-de der Stromkonzessionsvertrag zwischen der Streithelferin und der Klägerin geschlossen.
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten Herausgabe und Übereignung sämtlicher Stromverteilungsanlagen im Gebiet der Streithelferin, Zug um Zug gegen Zahlung eines ihrer Ansicht nach angemessenen Betrags in Höhe von 1.100.000 €. In einem ersten Hilfsantrag konkretisiert sie die Herausgabe- und Übereignungspflicht auf in einem beigefügten Mengengerüst aufgeführte Stromverteilungsanlagen, weiter hilfsweise verlangt sie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zu der mit dem Hauptantrag begehrten Herausga-be und Übereignung. Ferner begehrt die Klägerin von der Beklagten die Über-tragung oder Überlassung zur Ausübung aller Grundstücksbenutzungsrechte bezüglich dieser Stromverteilungsanlagen sowie Auskunft in näher bestimmter Weise.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (OLG Frankfurt am Main, EnWZ 2019, 91). Dagegen wen-det sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, de-ren Zurückweisung die Beklagte beantragt.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Herausgabe und Übereignung des Stromverteilernetzes im Ge-biet der Streithelferin zu, weil der von ihr mit der Gemeinde abgeschlossene Konzessionsvertrag nichtig sei.
Entgegen dem bei der Konzessionsvergabe zu beachtenden Transpa-renzgebot hätten die Bieter nicht erkennen können, worauf es der Gemeinde bei ihrer Auswahlentscheidung angekommen sei. Mit Schriftsätzen vom 15. Juni und 12. Juli 2018 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsge-richt habe die Streithelferin dargelegt, wie sie ihre Ausschreibung und den Be-
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wertungsmodus verstanden wissen wolle und wie sie die Angebote bewertet habe. Dieses nun dargelegte Bewertungsschema werde jedoch in den Aus-schreibungsunterlagen nicht präsentiert und lasse sich diesen bei verständiger Würdigung aus Sicht eines fachkundigen Bieters auch nicht entnehmen. Insbe-sondere sei nicht erkennbar gewesen, dass es der Streithelferin bei konzeptio-nellen und planerischen Angaben nicht auf die inhaltliche Qualität des Angebots angekommen sei, sondern lediglich auf die nachvollziehbare Darstellung der Daten und des zu präsentierenden Plans oder Konzepts im Sinne eines „Ja/Nein-Kriteriums“. Sämtliche Fragen, die zu diesen Kriterien in der den Vergabeunterlagen beigefügten Anlage „Netzbetriebskonzept“ gestellt worden seien, seien nicht nur mit Ja oder Nein zu beantworten gewesen, sondern er-forderten eine nähere Erläuterung, durch die ein Qualitätsvergleich der Angebo-te eröffnet werden könne.
Eine unbillige Behinderung der Beklagten durch diesen Verfahrensfehler wäre nur zu verneinen, wenn zweifelsfrei feststünde, dass er keine Auswirkung auf das Ergebnis des Auswahlverfahrens gehabt haben könne. Dies lasse sich jedoch nicht feststellen, weil die Angebotsauswertung nicht vorliege.
Danach könne offenbleiben, ob die von der Streithelferin angewandten Auswahlkriterien sachgerecht und nicht diskriminierend seien.
Die Beklagte sei mit ihren Einwänden nicht deshalb präkludiert, weil sie keine einstweilige Verfügung gegen die Streithelferin beantragt habe. Eine Prä-klusion zu Lasten des Altkonzessionärs scheide schon wegen seiner besonderen Schutzbedürftigkeit im Hinblick auf die allein ihn treffende Herausgabepflicht für das gemeindliche Stromnetz aus.
II. Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Der Übereignungs-
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anspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG setzt einen wirksamen Konzessions-vertrag mit dem neuen Netzbetreiber voraus (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 KZR 66/12, BGHZ 199, 289 Rn. 62, 65 Stromnetz Berkenthin). Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, ergibt sich aufgrund seiner bisheri-gen Feststellungen nicht, dass es daran im Streitfall fehlt.
1. Als marktbeherrschender Anbieter der Wegenutzungsrechte in ih-rem Gebiet sind die Gemeinden, wovon das Berufungsgericht zutreffend aus-gegangen ist, gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 Abs. 1 EnWG verpflich-tet, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen. Die Auswahl muss in einem transparenten Verfahren erfolgen und ist vorrangig an Kriterien auszurichten, die die Ziele des § 1 EnWG konkretisieren. Genügt die Konzessionsvergabe diesen Anforderungen nicht, liegt eine unbillige Behinderung derjenigen Bewer-ber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind (BGHZ 199, 289 Rn. 16 – Stromnetz Berkenthin).
Aus der Bindung der Gemeinden an das Diskriminierungsverbot ergeben sich sowohl verfahrensbezogene als auch materielle Anforderungen an die Auswahlentscheidung. Das Auswahlverfahren muss zunächst so gestaltet wer-den, dass die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt. Denn nur dann ist gewährleistet, dass die Auswahlentscheidung im unverfälschten Wett-bewerb nach sachlichen Kriterien und diskriminierungsfrei zugunsten desjeni-gen Bewerbers erfolgen kann, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht. Das aus dem Diskriminierungsverbot folgende Transparenzgebot verlangt dementsprechend, dass den am Netzbetrieb interessierten Unterneh-men die Entscheidungskriterien der Gemeinde und ihre Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden (BGHZ 199, 289 Rn. 34 f. – Stromnetz Berkenthin). In materieller Hinsicht ist die Gemeinde verpflichtet, ihre Auswahl-
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entscheidung allein nach sachlichen Kriterien zu treffen, die vorrangig an den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG ausgerichtet sind (BGHZ 199, 289 Rn. 36 – Stromnetz Berkenthin).
Die Auswahlentscheidung muss aber nicht nur vorrangig an den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG ausgerichtet sein, die die Gemeinde gegebenenfalls un-ter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse konkretisieren kann. Sie muss vielmehr auch am Maßstab derjenigen Kriterien erfolgen, die die Gemeinde den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen mitgeteilt hat. Diese Kriterien sind dabei, nicht anders als im Vergaberecht (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 X ZR 86/17, VergabeR 2019, 753, Rn. 13 mwN – Straßenbauarbeiten) so auszulegen und zu handhaben, wie sie von den an der Konzession interessier-ten Unternehmen verstanden werden müssen. Nur dann kann die Bekanntgabe der Kriterien die Funktion erfüllen, die Bieter darüber zu unterrichten, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt, und sie damit in die La-ge zu versetzen, ihr Angebot bestmöglich an den von der Gemeinde gestellten Anforderungen auszurichten.
2. Anders als das Berufungsgericht annimmt, leidet die Konzessi-onsvergabe durch die Streithelferin nach den getroffenen Feststellungen daher nicht daran, dass die Bieter den Ausschreibungsunterlagen die für die Ange-botsbewertung maßgeblichen Kriterien und ihr jeweiliges Gewicht nicht ent-nehmen konnten. Denn es nimmt rechtsfehlerfrei an, dass bei mehreren in Ab-schnitt A der Anlage „Netzbetriebskonzept“ und der Anlage „Bewertungsmatrix“ zum zweiten Verfahrensbrief vom 12. März 2013 ausdrücklich als wertungsrele-vant aufgeführten Kriterien aus objektiver Sicht eines verständigen Bieters eine qualitative Bewertung zu erwarten war, aufgrund deren – etwa anhand von Er-füllungsgraden unterschiedliche Punktzahlen vergeben und Angebote als bes-ser oder schlechter beurteilt werden konnten. Unerheblich ist hingegen, ob die Streithelferin, wie sie im Rechtsstreit vorgetragen hat, nur die Erfüllung oder
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Nichterfüllung des jeweiligen Kriteriums im Sinne einer Vollständigkeit der An-gaben prüfen wollte. Denn dass eine solche – im Zweifel überdies sachwidrige – Angebotsbewertung erfolgen sollte, konnten die Bieter den Ausschreibungsun-terlagen nicht entnehmen.
3. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich auch nicht, dass der Konzessionsvertrag aus anderen Gründen nichtig ist.
a) Allerdings leidet die Konzessionsvergabe nach diesen Feststel-lungen an dem Mangel, dass sich die Streithelferin bei der Angebotsbewertung in unzulässiger Weise nicht an die von ihr selbst festgelegten und sie damit für das Konzessionsvergabeverfahren bindenden, eine qualitative Bewertung er-fordernden Kriterien gehalten hat. Dieser Bewertungsfehler betrifft insbesonde-re die Kriterien Investitionsplan, besondere Maßnahmen für die Versorgungssi-cherheit, Schadensreaktionszeit, Betriebsstätten und Arbeitsplätze vor Ort so-wie drei auf den Umweltschutz bezogene Kriterien, für die in der Bewertungs-matrix jeweils bis zu 50 Punkte vorgesehen waren. Es sind damit jedenfalls 350 von insgesamt 2500 Punkten von dem Mangel bei der Bewertung der Angebote betroffen.
Aus einer solchen, von den vorgegebenen Kriterien und ihrer vorgesehe-nen quantitativen oder qualitativen Beurteilung abweichenden fehlerhaften Be-wertung ergibt sich eine unbillige Behinderung eines Mitbewerbers, wenn die Konzessionsvergabe auf dem Bewertungsfehler beruht oder dies zumindest möglich ist. Kann sich ein Fehler im Auswahlverfahrens hingegen nicht auf des-sen Ergebnis ausgewirkt haben, weil derselbe Bewerber die Konzession auf jeden Fall auch ohne den Verfahrensfehler erhalten hätte, wie es etwa bei einer geringfügigen Fehlgewichtung im Kriterienkatalog in Betracht kommt, die er-sichtlich keinen Einfluss auf die Platzierung der Bewerber haben konnte, schei-det eine Behinderung durch die Konzessionsvergabe und damit eine Nichtigkeit
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des Konzessionsvertrages aus (BGHZ 199, 289 Rn. 99 Stromnetz Berkent-hin).
b) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Konzessions-vergabe auf dem Verfahrensfehler beruht oder beruhen kann, sondern – sozu-sagen umgekehrt – gemeint, eine fehlende Ergebnisauswirkung der Mängel des Auswahlverfahrens könne nicht festgestellt werden, weil die Angebotsauswer-tung von der Klägerin nicht vorgelegt worden sei und daher nicht erkennbar sei, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten bei der Bewertung einen Vorsprung von mehr als 350 Punkten gehabt habe. Diese Erwägung ist nicht tragfähig.
Wendet der am Stromnetz der Gemeinde bisher Nutzungsberechtigte gegen den Übereignungsanspruch des neuen Energieversorgungsunterneh-mens nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG die Nichtigkeit des Konzessionsvertrags ein, trägt er für die Voraussetzungen dieser Einwendung die Darlegungs- und Beweislast. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gilt das auch für die Darlegung, dass eine Ergebnisauswirkung eines bei der Neuvergabe der Kon-zession unterlaufenen Verfahrensfehlers zumindest möglich ist.
Fehlt es allerdings schon an einer sachlich ausreichenden und transpa-renten Bekanntgabe wesentlicher bei der Bewertung zu berücksichtigender Kri-terien, wird regelmäßig nicht ausgeschlossen werden können, dass die Kon-zessionsvergabe hierauf beruht. Denn bei unzureichenden Ausschreibungsun-terlagen ist es möglich, dass ein Bewerber ein anderes Angebot abgegeben hätte, wenn ihm die Anforderungen der Gemeinde ordnungsgemäß bekanntge-geben worden wären.
Sind die Angebote jedoch, wie im Streitfall, fehlerhaft bewertet worden, kommt es nicht auf mögliche andere Angebote, sondern nur darauf an, inwie-fern sich festgestellte Bewertungsfehler auf das Ergebnis der Angebotsbewer-tung und die sich daraus ergebende Rangfolge der Bieter ausgewirkt haben.
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Zwar genügt es, wenn eine solche Auswirkung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles nicht ausgeschlossen werden kann. Dass es sich so ver-hält, es mithin zumindest möglich ist, dass der unterlegene Bieter durch den Abschluss des Konzessionsvertrages unbillig behindert oder diskriminiert wird, hat aber derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich auf die Nichtigkeit des Konzessionsvertrages beruft.
III. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 563 Abs. 3 ZPO). Soweit die Beklagte geltend macht, die Streithelferin habe beim Bewertungskriterium der Versorgungssicherheit fehlerhaft auf die Werte der Bieter für die durchschnittliche Dauer der Stromver-sorgungsunterbrechung (System Average Interruption Duration Index SAIDI) abgestellt, ohne strukturelle Unterschiede in deren Versorgungsgebieten zu berücksichtigen, ist sie mit dieser Rüge ausgeschlossen.
1. Die fortdauernde Behinderung durch einen fehlerhaft abgeschlos-senen Konzessionsvertrag muss im Interesse der Rechtssicherheit hingenom-men werden, wenn alle unbillig behinderten oder diskriminierten Bewerber um die Konzession ausreichend Gelegenheit haben, ihre Rechte zu wahren, diese Möglichkeit aber nicht nutzen (BGHZ 199, 289 Rn. 108 Stromnetz Berkenthin).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheidet eine Präk-lusion nicht deshalb aus, weil sich die Beklagte als Altkonzessionärin auch dann auf die Fehlerhaftigkeit der Neuvergabe berufen kann, wenn sie es unterlassen hat, ihr mögliche Schritte zur Verhinderung einer rechtswidrigen Konzessions-vergabe zu unternehmen.
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a) Das Berufungsgericht meint unter Bezug auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. März 2014 (6 U 68/13 (Kart), WuW/E DER 4279), es sei geboten, zwischen „einfachen“ unterlegenen Bie-tern und dem Altkonzessionär, der im Verfahren um die Neukonzession unter-legen sei, zu differenzieren. Der Altkonzessionär sei in besonderer Weise von einer diskriminierenden Konzessionsentscheidung betroffen, weil er allein ver-pflichtet sei, seine für den Netzbetrieb notwendigen Verteilungsanlagen an den Neukonzessionär gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Der in diesem Zwangsverkauf liegende erhebliche Eingriff in das nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht des Altkonzessionärs sei nur gerechtfertigt, wenn die Neukonzessionierung rechtmäßig durchgeführt worden sei. Sei der Altkonzessionär darauf verwiesen, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Neukonzessionierung vorzugehen, bestehe wegen der Unwägbarkeiten eines solchen Eilverfahrens das erhebliche Risiko, dass eine fehlerhafte Konzessionierungsentscheidung letztlich doch Bestand habe und der Altkonzessionär zur Übereignung der Verteilungsanlagen an einen nicht gesetzmäßig bestimmten Bewerber gezwungen werden könne. Zwar führe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Umstand, dass Bieter die ihnen eröffnete Möglichkeit, ihre Rechte wahrzunehmen, nicht genutzt hät-ten, dazu, dass der Konzessionsvertrag trotz seines gegen das Diskriminie-rungsverbot verstoßenden Zustandekommens nicht gemäß § 134 BGB nichtig sei. Vorzugswürdig erscheine aber, den unter Verstoß gegen das Diskriminie-rungsverbot abgeschlossenen Konzessionsvertrag einheitlich gemäß § 134 BGB für nichtig zu erachten und lediglich den unterlegenen einfachen Bietern, welche die ihnen eröffnete Möglichkeit eines Vorgehens gegen den Vertrags-schluss nicht genutzt hätten, nach Treu und Glauben zu versagen, diese Nich-tigkeit geltend zu machen.
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b) Diesen Erwägungen kann nicht beigetreten werden. Es besteht kein Anlass, den Altkonzessionär nach Unterrichtung über die beabsichtigte Auswahlentscheidung der Gemeinde beim Rechtsschutz gegenüber sonstigen Bietern zu privilegieren. Vielmehr gilt auch insoweit der aus dem Diskriminie-rungsverbot folgende Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter. Im Interes-se der Rechtssicherheit und einer wirksamen Möglichkeit, die Konzession in einem wettbewerblichen Verfahren neu zu vergeben, kann und muss die fort-dauernde Behinderung durch einen fehlerhaft abgeschlossenen Konzessions-vertrag von jedem Bieter hingenommen werden, der ausreichend Gelegenheit hatte, seine Rechte zu wahren, diese Möglichkeit aber nicht genutzt hat (BGHZ 199, 289 Rn. 108 Stromnetz Berkenthin).
aa) Im Einklang mit der in § 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG vorgesehenen Begrenzung der Höchstlaufzeit von Konzessionsverträgen auf 20 Jahre verfolgt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen das Ziel, im Bereich der Ener-gieversorgung einen Leistungswettbewerb um Netze und die Öffnung eines Zu-gangs zu Konzessionen für interessierte und qualifizierte Betreiberunternehmen zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 16. November 1999 KZR 12/97, BGHZ 143, 128, 146 Endschaftsbestimmung I). Mit dem Ziel eines effektiven Wett-bewerbs um Netze wäre es nicht zu vereinbaren, dass der Altkonzessionär die Übereignung oder Überlassung der gemeindlichen Netze auch dann noch ver-weigern könnte, wenn er ausreichend Gelegenheit hatte, seine Rechte zu wah-ren, diese Möglichkeit aber nicht genutzt hat. Die für eine Netzübernahme im Leistungswettbewerb erforderliche Planungs- und Rechtssicherheit könnte nicht mehr erreicht werden, wäre der Altkonzessionär berechtigt, während der ge-samten, zwanzigjährigen Laufzeit und auch noch nach einer erfolgten Übereig-nung des Netzes die Unwirksamkeit des neuen Konzessionsvertrags geltend zu machen, um sodann gegebenenfalls die Rückübertragung des Netzes zu ver-langen.
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Eventuelle Unwägbarkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes betreffen al-le unterlegenen Bieter in gleicher Weise und können deshalb eine Privilegie-rung des Altkonzessionärs in Bezug auf Rügeobliegenheiten nicht rechtfertigen.
bb) Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht des bisheri-gen Netzbetreibers fordert kein anderes Verständnis. Die Pflicht zur Netzüber-eignung ist eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, die zur Ermöglichung ei-nes effektiven Wettbewerbs um das Wegerecht im Interesse der Verbesserung der Versorgungsbedingungen geeignet und erforderlich ist und nicht gegen das Übermaßverbot verstößt. Die Interessen des bisherigen Netzbetreibers sind durch die ihm zustehende angemessene Vergütung gewahrt (vgl. BGH, Be-schluss vom 3. Juni 2014 EnVR 10/13, WuW/E DER 4322 Stromnetz Hom-berg). Sein Recht, das Netz behalten zu dürfen, hat keinen höheren Rang als das Recht des Neukonzessionärs, das Netz übernehmen zu dürfen; beide Rechte setzen voraus, dass der Alt- oder Neukonzessionär wirksam die für den Netzbetrieb erforderliche Wegerechtskonzession erworben hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Eigentum an Strom- und Gasverteilungsanlagen in öffentlichen Wegen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG aufgrund der Begren-zung der Höchstlaufzeit der Wegerechte auf 20 Jahre eine zeitlich beschränkte Rechtsposition vermittelt.
cc) Dieses Verständnis steht im Einklang mit der im Streitfall noch nicht anwendbaren Bestimmung des § 47 EnWG zu den Rügeobliegenheiten beteiligter Unternehmen, die ebenfalls nicht zwischen Altkonzessionär und an-deren Bietern unterscheidet.
dd) Anders als das Berufungsgericht und das Oberlandesgericht Karlsruhe angenommen haben, ergibt sich auch aus der bisherigen höchstrich-terlichen Rechtsprechung kein abweichendes Verständnis der Rügeobliegen-heiten des Altkonzessionärs. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass der Se-nat die Grundsätze zu dieser Rügeobliegenheit in der Entscheidung „Stromnetz
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Berkenthin“ formuliert hat, in der wie im Streitfall ein Altkonzessionär die Un-wirksamkeit des neuen Konzessionsvertrags gegenüber dem Netzübertra-gungsanspruch des Neukonzessionärs geltend gemacht hatte (BGHZ 199, 289 Rn. 1, 7 und 108 f. Stromnetz Berkenthin).
Soweit es in diesem Urteil heißt, zur Förderung eines diskriminierungs-freien Wettbewerbs um das Netz könne der Altkonzessionär unabhängig von seinem Verhalten im Auswahlverfahren gegenüber einem Anspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG geltend machen, dass dem Anspruchsteller die Aktiv-legitimation fehle, weil er nicht wirksam neuer Konzessionär geworden sei, betrifft diese Aussage lediglich die Frage einer unzulässigen Rechtsausübung infolge einer Verletzung vorvertraglicher Rügepflichten. Nur insoweit ist dem Altkonzessionär – nach der bis zum 2. Februar 2017 geltenden Rechtslage – die Abwehr des Anspruchs aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG unabhängig von seinem Verhalten im Auswahlverfahren möglich (vgl. BGHZ 199, 289 Rn. 113, 117 Stromnetz Berkenthin).
3. Hinsichtlich der auf die Verwendung der SAIDI-Werte gestützten Rüge hatte die Beklagte über die S. GmbH ausreichend Gelegenheit, ihre Rechte zu wahren. Sie hat diese Möglichkeit nach den getroffenen Feststellungen aber nicht genutzt, so dass sie mit dieser Rüge präkludiert ist.
a) Die Beklagte hatte bereits mit Schreiben vom 21. Mai und 9. Juli 2013 die ihr nach Zusendung der zweiten Bewerberinformation vom 12. März 2013 bekannte Verwendung des bundeseinheitlichen SAIDI-Werts im Rahmen der Bewertung des Unterkriteriums “mittlere störungsbedingte Nichtverfüg-barkeit“ beanstandet. In der Bekanntmachung vom 7. März 2014 begründete die Streithelferin die Entscheidung zugunsten der Klägerin insbesondere maßgeblich damit, diese habe bei der durch den SAIDI-Wert ausgedrückten Versorgungssicherheit das günstigste Angebot abgegeben. Mit Schreiben vom
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21. März 2014 teilte die S. GmbH der Streithelferin unter anderem mit, sie habe erhebliche Bedenken, ob die Netzsicherheit ausreichend in die Bewertung eingeflossen sei. Unter dem 27. Mai 2014 bekräftigte die Streithelferin ihre Absicht, den neuen Konzessionsvertrag mit der Klägerin abzuschließen, und verwies für die Gründe der Nichtberücksichtigung des Angebots der S. GmbH auf die Bekanntmachung vom 7. März 2014. Sodann fand am 24. Juli 2014 ein Gespräch der Beklagten mit dem Bürgermeister der Streithelferin statt, das jedoch zu keiner Einigung führte. Die Beklagte hat sich daraufhin am 14. August 2014 an die Landeskartellbehörde gewandt. Gerichtlichen Rechtsschutz hat sie dagegen nicht in Anspruch genommen. Vielmehr hat sie ihre auf Fehler der Konzessionsvergabe gestützten Rügen erst in der Klageerwiderung vom 28. Juni 2016 gegenüber dem im vorliegenden Verfahren verfolgten Übereignungsanspruch der Klägerin geltend gemacht. Mit dem gerade auch bei Konzessionsvergaben bestehenden Bedürfnis nach Rechtssicherheit wäre es aber unter diesen Umständen nicht vereinbar, könnte die Beklagte die frühzeitig erkennbare und von ihr auch erkannte Verwendung des SAIDI-Werts durch die Streithelferin noch in diesem Verfahren beanstanden.
b) Die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob die Streithel-ferin den SAIDI-Wert bei der Bewertung der Versorgungssicherheit ohne einen Korrekturfaktor für strukturelle Unterschiede der Versorgungsgebiete anwenden durfte, bedarf daher im Streitfall keiner Entscheidung (die statistische Bedeut-samkeit des Strukturparameters Lastdichte für die Niederspannungsebene ver-neinend OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016 VI-3 Kart 162/12, juris Rn. 85 ff.).
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IV. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden; der Rechtsstreit ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
V. Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben:
1. Werden Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allge-meinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG verpflichtet, seine für den Betrieb des Netzes notwendigen Verteilungs-anlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Mit dem Abschluss des neuen Konzessionsvertrags entstehen kraft Gesetzes der Übereignungs-anspruch des neuen Konzessionärs gegen den Altkonzessionär und dessen Anspruch gegen den Neukonzessionär auf Zahlung einer angemessenen Ver-gütung (BGH, Urteil vom 14. April 2015 EnZR 11/14, EnWZ 2015, 328 Rn. 17 Gasnetz Springe). Nach Abschluss des neuen Konzessionsvertrags kann der Neukonzessionär unmittelbar die Übereignung der für den Netzbetrieb not-wendigen Verteilungsanlagen Zug um Zug gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung verlangen. Anders als es das Berufungsgericht annimmt, ist er nicht darauf verwiesen, einen Antrag auf Feststellung der Übereignungspflicht zu stellen.
2. Das Berufungsgericht wird der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, zu der geltend gemachten Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung zugunsten der Klägerin weiter vorzutragen. Soweit die Beklagte nicht über
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nähere Kenntnisse der Bewertung der Angebote und der Begründung der Auswahlentscheidung verfügt, wird es weiterhin zu erwägen haben, der Streit-helferin der Klägerin nach § 142 Abs. 1 ZPO die Vorlage des Vergabevermerks oder sonstiger zur Bewertung der Angebote und zur Begründung der Auswahlentscheidung erstellter Unterlagen aufzugeben.
3. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Konzessionsvergabe auf einer zu Lasten der Beklagten fehlerhaften Angebots-bewertung insbesondere bei den Kriterien Investitionsplan, besondere Maß-nahmen für die Versorgungssicherheit, Schadensreaktionszeit, Betriebsstätten und Arbeitsplätze vor Ort sowie Umweltschutz beruht oder dies jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, wird insoweit eine Rügepräklusion nicht in Betracht kommen. Hinsichtlich der Rüge, die Streithelferin habe sich insoweit in unzu-lässiger Weise nicht an die von ihr selbst festgelegte qualitative Bewertung der Angebote gehalten, hatte die Beklagte keine ausreichende Gelegenheit, ihre Rechte zu wahren.
a) Eine durch den Rechtssicherheits- und Beschleunigungsgedanken motivierte Rügepräklusion setzt im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes voraus, dass ein in seinen Rechten verletzter unterlegener Bieter hinreichend klar erkennen konnte, worauf es der Gemeinde bei der Kon-zessionsvergabe ankam und warum sie einem anderen Bewerber den Vorzug gegeben hat (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energiever-sorgung, BR-Drucks. 73/16, S. 19 o.). Dementsprechend werden in § 47 Abs. 2 EnWG die Rügeobliegenheiten auf solche Rechtsverletzungen beschränkt, die aufgrund der dort aufgeführten Mitteilungen und Informationen der Gemeinde für einen in seinen Rechten verletzten Beteiligten erkennbar sind. Für die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 47 Abs. 2 EnWG und damit auch im Streitfall gilt insoweit nichts Anderes. Für einen im Konzessionsverfahren unbillig
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behinderten oder diskriminierten Bewerber bestand grundsätzlich nur dann ausreichende Gelegenheit, seine Rechte zu wahren, wenn die in Rede stehende Rechtsverletzung für ihn erkennbar war.
b) Im Streitfall war dies nicht der Fall. Aus den im Vergabeverfahren erteilten Informationen der Gemeinde war die bei mehreren Vergabekriterien nicht dem objektiven Bieterverständnis entsprechende Bewertung für die Beklagte nicht erkennbar.
c) Wie die Revisionserwiderung zutreffend ausführt, lässt sich eine ausreichende Gelegenheit eines Bieters, seine Rechte zu wahren, jedenfalls für die vor dem 3. Februar 2017 geltende Rechtslage auch nicht mit der Erwägung begründen, dieser hätte sich mit einem Antrag auf Akteneinsicht weitere Infor-mationen verschaffen und damit die Möglichkeit zu weiteren Rügen eröffnen können. Das Akteneinsichtsrecht der Bieter gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG besteht erst seit dem 3. Februar 2017. Es dient zudem der Vorbereitung einer Rüge nach § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG, die sich auf Rechtsverletzungen bezieht, die aus der Information der Gemeinde nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG über die Gründe der vorgesehenen Ablehnung des Angebots des Bieters erkennbar sind.
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Es wird daher nicht darauf ankommen, ob sich die Beklagte durch ein Akteneinsichtsgesuch Kenntnis von der fehlerhaften Bewertung ihres Angebots hätte verschaffen können.

Unabhängig von § 47 Abs. 2 EnWG bestand für einen im Konzessionsverfahren diskriminierten Bewerber erst dann ausreichende Gelegenheit, seine Rechte zu wahren, wenn die in Rede stehende Rechtsverletzung für ihn erkennbar war

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