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Kanzlei mit Vergaberecht für öffentliche Auftraggeber, Vergabestellen sowie Bewerber und Bieter

Begleitung aller Vergabeverfahren, Fachanwalt für Vergaberecht, EU-Vergaberecht, nationales Vergaberecht, e-Vergabe, öffentliche Ausschreibung, Schwellenwerte, Konzessionen, Zuwendungen, GWB, VgV, UGVO, VoB/A, Rüge, Nachprüfungsverfahren, Zuschlag, vorzeitige Beendigung der Vergabe, Schadensersatz, erneute Vergabe

Nach wirksamer Zuschlagerteilung ist ein Nachprüfungsantrag auf Feststellung eines Vergabeverstoßes unzulässig.

Nach wirksamer Zuschlagerteilung ist ein Nachprüfungsantrag auf Feststellung eines Vergabeverstoßes unzulässig.

Soweit die ASt in der Hauptsache festzustellen beantragt hat, dass die Ag bei dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren gegen die im Einzelnen vorgebrachten Vergabevorschriften verstoßen haben, steht der Zulässigkeit der am 13. September 2021 an die Bg erteilte Zuschlag entgegen, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 – X ZB 14/00). Dieser Zuschlag durfte auf das Vorabinformationsschreiben der Ag vom 2. September 2021, das den gesetzlichen Anforderungen von § 134 Abs. 1 GWB genügt, nach Ablauf der zehntägigen Wartefrist nach § 134 Abs. 2 Satz 2 GWB erteilt werden und war damit wirksam.

2. Vergabekammer des Bundes VK 2 – 109/21 vom 29.10.2021 – wirksame Zuschlagerteilung

Beschluss

In dem Nachprüfungsverfahren

wegen der Vergabe „Rahmenvertrag […], hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch die Vor-sitzende Direktorin beim Bundeskartellamt Dr. Herlemann, den hauptamtlichen Beisitzer Regie-rungsdirektor Dr. Brauser-Jung und den ehrenamtlichen Beisitzer Döppelhan auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2021 am 29. Oktober 2021 beschlossen:
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1. Der Nachprüfungsantrag wird verworfen, soweit die Antragstellerin die Feststellung bean-tragt hat, dass die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) bei der Ausschreibung des streitge-genständlichen Vergabeverfahrens gegen Vergabevorschriften verstoßen haben und die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten verletzt ist.
2. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen, soweit die Antragstellerin hilfsweise fest-zustellen beantragt hat, dass der Abschluss des im streitgegenständlichen Vergabever-fahren ausgeschriebenen Rahmenvertrages für die Erbringung von […] von Anfang an unwirksam ist.
3. Der Antrag auf weitergehende Akteneinsicht wird zurückgewiesen.
4. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Nachprüfungsverfah-rens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendun-gen der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) sowie der Beigeladenen.
5. Die Hinzuziehungen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) sowie der Beigeladenen waren jeweils notwendig.

Gründe:
I.
Die Antragstellerin (ASt) ist Vorauftragnehmerin der im streitgegenständlichen Vergabeverfahren neu ausgeschriebenen Leistungen. Sie begehrt mit ihrem Hilfsantrag die Feststellung der Unwirk-samkeit des seitens der Antragsgegnerinnen (Ag) am 13. September 2021 an die Beigeladene (Bg) erteilten Zuschlags, weil nach Ansicht der ASt die Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebots unzureichend mitgeteilt worden seien. Darüber hinaus bemängelt sie im Hauptantrag Verstöße gegen das Gebot der Losaufteilung, intransparente Grundlagen der Angebotswertung und eine auf dieser Grundlage fehlerhaft durchgeführte Angebotswertung. Ferner begehrt sie den Ausschluss der Bg nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB, weil die Gründung einer Bietergemeinschaft mit kartellrechtlichen Grundsätzen unvereinbar sei.
1. Die Ag veröffentlichten am […] eine unionsweite Auftragsbekanntmachung über den Abschluss eines Rahmenvertrages für die Erbringung von […] im Verhandlungsverfahren mit vorgeschalte-tem Teilnahmewettbewerb. Eine Aufteilung in Lose nahmen die Ag nicht vor. Den Auftragswert schätzten die Ag auf insgesamt […] Mio. Euro (s. Ziff. II.2.1 der Auftragsbekanntmachung).
Ziff. VI.4.2 der Auftragsbekanntmachung enthielt eine Belehrung über die Einlegung von Rechts-behelfen, die am Ende u.a. einen Hinweis auf die 15 bzw. 10 Kalendertage nach Absendung der
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Vorabinformation nach § 134 Abs. 1 GWB umfassende Wartefrist nach § 134 Abs. 2 GWB enthält und des Weiteren ausführt: „Die vorstehend genannte Frist von 10 bzw. 15 Kalendertagen läuft auch dann ab, wenn der Bieter einen Vergaberechtsverstoß gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gerügt hat.“
Als Zuschlagskriterien benannten die Ag den Preis (75%) und die Qualität (25%).
Nach der bekannt gegebenen Bewertungsmatrix (Anlage zur Ziff. 6 des Verfahrensleitfadens) kam es für die Bewertung der Qualität (anteilige Punkte des jeweiligen Bieters) auf die von den Bietern näher anzugebenden Standorte nach Postleitzahlen und die entsprechenden Standortfä-higkeiten an, die in der Bewertungsmatrix näher definiert wurden. Berücksichtigt wurde für die entsprechende Berechnungsformel in der Bewertungsmatrix ebenfalls die Anzahl der Fahrzeuge der Auftraggeber, die die Ag allerdings unter Berufung auf § 104 Abs. 1 Nr. 4, 2. Hs. GWB nicht mit der Bewertungsmatrix bekannt gegeben haben. Die Ag teilten im Laufe des Vergabeverfah-rens mit der Bieterinformation Nr. 3 am 5. Juni 2020 Angaben zu den Fahrzeugen und zur Auf-teilung der Fahrzeuge in Kategorie und Anzahl mit.
Für das Kriterium Preis wurden die anteiligen Wertungspunkte der Bieter nach einer in der Be-wertungsmatrix bekannt gegebenen Formel unter Berücksichtigung des niedrigsten und des je-weiligen Angebotspreises sowie der maximal erreichbaren Wertungspunkte für das Kriterium Preis ermittelt.
Die ASt und die Bg wurden nach erfolgreich bestandenem Teilnahmewettbewerb zu mehreren Verhandlungsrunden eingeladen und gaben entsprechende Angebote ab.
Die Fristen für die Abgabe der Angebote endeten wie folgt:
– Erstes Angebot: 15. Juni 2020, 12 Uhr.
– Zweites Angebot: 10. Mai 2021, 12 Uhr.
– Finales Angebot: 1. Juli 2021, 10 Uhr.
Mit Schreiben vom 2. September 2021 teilte die Ag der ASt mit, sie habe nicht das wirtschaft-lichste Angebot abgegeben, ihr könne daher nicht der Zuschlag erteilt werden. Ferner teilte die Ag in diesem Schreiben Folgendes mit: „Gemäß Verfahrensleitfaden Ziffer 6 wurden die jeweili-gen Angebote nach den Bewertungskriterien Qualität und Preis miteinander verglichen. Ihr An-gebot erzielte gem. Bewertungsmatrix sowohl im Hinblick auf die Qualität als auch im Hinblick auf
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den Preis nicht die Höchstpunktzahl und damit insgesamt weniger Punkte als der wirtschaftlichste Bieter.“ Die Ag beabsichtige, den Zuschlag am 13. September 2021 an die Bietergemeinschaft der Bg zu erteilen.
Mit Schreiben vom 7. September 2021 wandte sich die ASt an die Vergabestelle der Ag. Darin bedankte sich die ASt für die bisherige gute und vertrauensvolle Geschäftsbeziehung in den ver-gangenen Jahren. Die ASt bat ferner um weitere Informationen, sofern dies möglich sei. Als Grund gab die ASt an, die Ausschreibung intern aufarbeiten und sich verbessern zu wollen. Fer-ner fragte die ASt nach der von ihr erreichten Punktzahl bzw. Platzierung im Wettbewerb und ob es eine gesonderte Auswertung gebe, die den Bietern zur Verfügung gestellt werde.
Mit Schreiben vom 9. September 2021 wandte sie die ASt nochmals an die Vergabestelle der Ag und wies in Ergänzung ihres Schreibens vom 7. September 2021 darauf hin, „dass die von Ihnen aufgeführten Ablehnungsgründe gemäß Ziffer 6 des Verfahrensleitfadens in den einzig vorhan-denen Kategorien Qualität und Preis nicht ausreichend nachvollziehbar dargelegt wurden.
Wir dürfen Sie daher bitten die Gründe für die Nichtberücksichtigung verständlich und präzise zu benennen. Das bloße Zusammenfassen der Ergebnisse des Wertungsvorgangs ist insoweit nicht ausreichend, da wir aus der Vorabinformation Ihres vorgenannten Schreibens und nach unserem individuellen Kenntnisstand nicht erkennen können, warum die Prüfung unseres Angebots zur Ablehnung geführt hat. …“
Mit Schreiben vom 10. September 2021 antwortete die Vergabestelle der Ag der ASt. In dem Schreiben nahm die Ag nochmals Bezug auf ihre Ausführungen in ihrem Schreiben 2. September 2021. Die Ag führte aus, sie habe in ausreichendem Maße auf die Bewertungskriterien Qualität und Preis Bezug genommen und sei zu weitergehenden Informationen nicht verpflichtet. Über-dies verstoße eine Bekanntgabe der genauen Bepunktung und Platzierung gegen das Prinzip des Geheimwettbewerbs, eine derartige Präzisierung sei daher rechtlich nicht zulässig. Ferner führte die Vergabestelle „klarstellend“ aus, die ASt habe mit ihrem Angebot in sämtlichen quali-tativen Aspekten nicht die Höchstpunktzahl erreicht.
Am 13. September 2021 erteilten die Ag den Zuschlag auf das Angebot der Bg.
Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 27. September 2021 rügte die ASt die Rechtswidrigkeit der Wertungsgrundlagen und des darauf beruhenden Wertungsvorgangs sowie des Verzichts auf eine Losvergabe und begehrte den Ausschluss der Bietergemeinschaft der Bg
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nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Ferner bemängelte die ASt eine nicht ordnungsgemäße Vorabin-formation.
2. Ebenfalls mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 27. September 2021 beantragte die ASt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Der Nachprüfungsantrag wurde der Verga-bestelle der Ag am 28. September 2021 übermittelt.
a) Die ASt ist der Ansicht, die ihr seitens der Ag mitgeteilten Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes seien nicht hinreichend im Sinne von § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB, weshalb der erteilte Zuschlag unwirksam sei. Soweit die Ag im Schreiben vom 2. September 2021 Gründe aufgeführt habe, seien diese nichtssagend bzw. nicht konkret genug bzw. floskelhaft. Der Hinweis auf die Wertung gemäß Ziffer 6 des Verfahrensleitfadens und den Umstand, die ASt habe in punkto Qualität und Preis nicht die höchste Punktzahl erreicht, werde dem Sinn und Zweck der Informationspflicht des § 134 GWB nicht gerecht, die Erfolgsaussichten in einem Nachprüfungs-verfahren beurteilen zu können und eindeutig zu erkennen, weshalb das Angebot nicht zu-schlagsfähig sei. Der Zweck der Vorabinformation gebiete es, nicht nur floskelhaft informiert zu werden, sondern erfordere einen entsprechenden informatorischen Tiefgang. Entgegen dieser Maßgaben werde seitens der Ag aber nicht auf die einzelnen in der Bewertungsmatrix zu Ziff. 6.4 des Verfahrensleitfadens aufgeführten Kriterien eingegangen. Die ASt habe daher nicht nachprü-fen können, ob die Bewertung ihres Angebots anhand der bekannt gemachten Zuschlagskriterien rechtmäßig erfolgt sei bzw. ihre Chancen im Nachprüfungsverfahren hinreichend abschätzen. Zu diesem Zweck seien insbesondere Angaben zur Gesamtpunktzahl des Angebots der ASt erfor-derlich gewesen sowie die Punktzahlen im Verhältnis zu den maximal möglichen Punkten bei den einzelnen Unterkriterien im Rahmen des Zuschlagskriteriums Qualität (Ziff. 1.1 bis 1.6 der Be-wertungsmatrix). Diese Informationen seien ohne Verletzung des Grundsatzes des Geheimwett-bewerbs möglich, da eine Rückrechnung auf entsprechende qualitative Werte der Bg nicht mög-lich sei. Hierzu fehle der ASt die Kenntnis des Berechnungsfaktors der Anzahl der Fahrzeuge der Ag. Soweit die Ag entsprechende Angaben in der Bieterinformation Nr. 3 am 5. Juni 2020 zur Verfügung gestellt hätten, sei unklar, ob diese Zahlen noch aktuell seien und davon auszugehen, dass sie bei der Bewertung nicht zugrunde gelegt worden seien.
Auch im Schreiben vom 10. September 2021 seien keine hinreichenden Informationen enthalten gewesen, um § 134 GWB genügen zu können. Dieses Schreiben benenne bereits nicht den Zu-schlagsprätendenten und den frühestmöglichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Auch unab-hängig davon seien die darin mitgeteilten Informationen nach wie vor unzureichend. Der sich
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daraus ergebende Hinweis, die ASt habe in allen Wertungskriterien schlechter abgeschnitten als die Bg, stelle keine konkrete und nachvollziehbare Begründung im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB dar. Die ASt habe nicht aufgrund ihrer Marktkenntnis abschätzen können, ob die Ange-botswertung plausibel sei. Dies sei nur möglich, wenn sie die Punktzahlen bei den einzelnen Kategorien der Ziff. 1.2 bis 1.6 der Bewertungsmatrix kenne, die ihr aber gerade verweigert wor-den seien.
Schließlich habe die ASt nach den Mitteilungen der Ag auch nicht beurteilen können, ob die Bil-dung der Bietergemeinschaft der Bg zulässig sei, insbesondere ob diese in der Lage sei, die ausgeschriebene Rahmenvereinbarung rechtskonform zu bedienen. Hierfür sei die Kenntnis er-forderlich, ob die Mitglieder der Bietergemeinschaft persönlich und gesamtschuldnerisch gegen-über den Ag hafteten oder nur die Bg selbst. Im letzteren Fall fehle es nämlich an der […].
Vor diesem Hintergrund sei, wie von der ASt auch in ihrem Antrag vom 27. September 2021 hilfsweise und fristgemäß beantragt, die Unwirksamkeit des Nachprüfungsantrags festzustellen.
Der Nachprüfungsantrag sei entgegen der Auffassung der Ag nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB verfristet. Die Frist für den Nachprüfungsantrag sei nach dem auf die Berechnung der Frist anzuwendenden § 193 BGB erst am Montag, den 27. September 2021, abgelaufen und der Nachprüfungsantrag mithin rechtzeitig gestellt worden.
Die Rüge der unzureichenden Vorabinformation nach § 134 GWB habe die ASt auf die Mitteilung der Ag vom 2. September 2021 rechtzeitig nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB, nämlich bereits mit ihrem Schreiben vom 7. September 2021, jedenfalls aber mit ihrem Schreiben vom 9. Sep-tember 2021, gegenüber den Ag erhoben.
Die weiteren mit Schreiben vom 27. September 2021 erhobenen Rügen zur Intransparenz der Wertungsgrundlagen bzw. der auf dieser Grundlage fehlerhaft durchgeführten Wertung, des Ver-stoßes gegen das Losaufteilungsgebot sowie den geltend gemachten Ausschluss der Bg nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB seien allesamt rechtzeitig im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB erfolgt. Die ASt habe die entsprechenden Rechtsverstöße erst nach anwaltlicher Beratung durch ihre Verfahrensbevollmächtigten erkannt und daher erst ab diesem Zeitpunkt rügen können, was nä-her ausgeführt wird.
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In der Sache hält die ASt den Ausschluss der Bietergemeinschaft der Bg nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB für geboten, da diese ein unzulässiges Kartell darstelle, was näher begründet wird.
Des Weiteren hält die ASt die Wertungsgrundlagen für intransparent. Die bekannt gemachten Wertungsgrundlagen hätten eine rechtmäßige Angebotswertung von vornherein verhindert. Das folge daraus, dass die Ag bei Bekanntgabe der Wertungskriterien nicht offengelegt habe, wie viele Fahrzeuge die Ag bei der Angebotswertung ansetzten. Soweit die Ag Gründe der Geheim-haltung geltend machten, sei dies nicht nachvollziehbar, was näher dargelegt wird, und könne, entsprechende Gründe unterstellt, überdies nur auf die Ag zu 1) zutreffen. Aus allem folge, dass auch die konkret durchgeführte Angebotswertung rechtswidrig sei, was ebenfalls näher ausge-führt wird.
Schließlich sieht die ASt einen Verstoß gegen das Gebot der Losaufteilung, weil die Ag die streit-gegenständliche Rahmenvereinbarung nicht in Lose jeweils für die Erbringung von […] aufgeteilt habe.
Die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten hält die ASt für notwendig, was näher be-gründet wird.
Die ASt beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass die Ag bei der Ausschreibung des streitgegenständlichen Verga-beverfahrens gegen Vergabevorschriften verstoßen haben und die ASt hierdurch in ihren Rechten verletzt ist.
Hilfsweise, für den Fall, dass die Ag die ausgeschriebene Rahmenvereinbarung bereits abgeschlossen haben:
Es wird festgestellt, dass der Abschluss des Rahmenvertrages für die Erbringung von […] von Anfang an unwirksam ist.
2. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht sind die Ag verpflichtet, das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen und die Bieter unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zur Abgabe von An-geboten aufzufordern.
3. Die Ag tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der ASt. Die Hin-zuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der ASt wird für notwendig erklärt.
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Ferner beantragt die ASt Akteneinsicht durch Übersendung von Kopien per Telefax oder E-Mail.
Mit ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 2021 beantragt die ASt über die durch die Verga-bekammer am 8. Oktober 2021 erteilte Akteneinsicht hinausgehende Einsicht in weitere Teile der Vergabeakte, insbesondere in die Auswertungen ihres Angebotes.
b) Die Ag beantragen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Akteneinsicht wird versagt.
3. Der ASt trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Ag.
4. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten zur zweck-entsprechenden Rechtsverfolgung für die Ag notwendig war.
Die Ag halten danach ihre Vorabinformation vom 2. September 2021 für mit § 134 GWB verein-bar, weshalb der daraufhin am 13. September 2021 erteilte Zuschlag wirksam sei und nicht mehr aufgehoben werden könne, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB. Der Wirksamkeit stehe kein unzureichen-der Informationsgehalt des Schreibens vom 2. September 2021 entgegen. Die Ag hätten darin mitgeteilt, dass das Angebot der ASt hinsichtlich der beiden Zuschlagskriterien Preis und Qualität schlechter bewertet worden sei. Das genüge dem Zweck des § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB, dem betroffenen Bieter eine Überprüfbarkeit im Hinblick auf eine Rüge bzw. die Einleitung eines Nach-prüfungsverfahrens zu ermöglichen. Die von der ASt begehrten weitergehenden Informationen gingen über die nach § 134 GWB mitzuteilenden Gründe hinaus, was man der ASt im Schreiben vom 10. September 2021 dargelegt habe. Soweit in diesem Schreiben mitgeteilt worden sei, die ASt habe mit ihrem Angebot in allen Aspekten schlechter abgeschnitten, sei dies überobligato-risch erfolgt und stelle keine zwingend notwendige Information über die Gründe der Nichtberück-sichtigung des Angebots der ASt dar. Diese seien bereits im Schreiben vom 2. September 2021 hinreichend dargelegt worden. Einer Mitteilung der von der ASt begehrten Punktwerte stehe der Grundsatz des Geheimwettbewerbs entgegen. Denn die ASt könne ansonsten mittels Dreisatz anhand der in der Bewertungsmatrix bekannt gemachten Interpolationsformeln auf die Punkt-werte bzw. den Preis der Bg zurückrechnen.
Den Nachprüfungsantrag halten die Ag für präkludiert nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB. Die Ag hätten die Rügen der ASt mit Schreiben vom 10. September 2021 abschlägig beschieden.
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Der Nachprüfungsantrag sei aber erst am 27. September 2021 bei der Vergabekammer gestellt worden und damit außerhalb der Frist von 15 Kalendertagen im Sinne dieser Vorschrift. Diese Frist sei am Samstag, den 25. September 2021 abgelaufen, so dass der Nachprüfungsantrag bis dahin zu stellen gewesen sei.
Überdies fehle der ASt die Antragsbefugnis, soweit sie die Verletzung des § 134 Abs. 1 GWB bemängele. Allein durch eine möglicherweise formal unzureichende Vorabinformation könne ei-nem Bieter kein Schaden nach § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB entstehen.
Die weiteren Rügen der ASt zur Intransparenz des Wertungssystems sowie zur fehlenden Lo-saufteilung halten die Ag für verspätet nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 GWB, da die jeweiligen behaupteten Verstöße frühzeitig erkennbar und daher jeweils bis Ende der einzelnen Angebotsfristen zu rügen gewesen wären, was im Einzelnen ausgeführt wird. Die Rüge des Aus-schlusses der Bg nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB sei nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB rechtzeitig erfolgt, weil die ASt die Existenz der Bietergemeinschaft der Bg aus dem Informati-onsschreiben vom 2. September 2021 erkannt habe, was ebenfalls näher begründet wird.
In der Sache halten die Ag die entsprechenden Rügen der ASt jedenfalls für unbegründet, was die Ag mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 8. Oktober 2021 im Einzelnen aus-führen.
Die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten halten die Ag nach ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 8. Oktober 2021 für notwendig. Der Nachprüfungsantrag habe nicht einfach lie-gende Rechtsfragen, vor allem des Nachprüfungsverfahrens, betroffen, so der Präklusion, der Antragsbefugnis und der Akteneinsicht. Darüber hinaus sei es im Hinblick auf den bereits erteilen Zuschlag überwiegend um prozessuale Fragen der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ge-gangen. Da die ASt durch zwei Fachanwälte für Vergaberecht vertreten worden sei, spreche er-gänzend der Aspekt der Waffengleichheit für die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfah-rensbevollmächtigten der Ag.
c) Die mit Beschluss vom 29. September 2021 förmlich zum Nachprüfungsverfahren hinzugezo-gene Bg beantragt mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 6. Oktober 2021,
1. den Hauptantrag zu 1. als unzulässig zu verwerfen;
2. den Hilfsantrag zum Hauptantrag zu 1. als unbegründet zurückzuweisen;
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3. den Antrag zu 2. als unbegründet zurückzuweisen;
4. der ASt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechts-verfolgung erforderlichen Aufwendungen der Bg aufzuerlegen und die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Bg für notwendig zu erklären;
5. der Bg Einsicht in die Vergabeakte zu gewähren.
Die Bg hält den ihr am 13. September 2021 erteilten Zuschlag für wirksam. Das der ASt im Vorfeld erteilte Vorabinformationsschreiben vom 2. September 2021 habe die Gründe für die Nichtbe-rücksichtigung des Angebots der ASt hinreichend benannt. Für die Zuschlagserteilung sei es ausschließlich auf den Preis sowie die Angaben der Bieter in der Anlage „Standorte nach Post-leitzahlen“ zur Standortverfügbarkeit (Anzahl von Standorten nebst Standortfähigkeiten) ange-kommen. Diese Kriterien seien präzise und berechenbar, so dass die Mitteilung einer schlechte-ren Bewertung gleichzeitig vollständig über den Grund der Nichtberücksichtigung informiere. Eine schlechtere Bewertung im Kriterium Preis bedeute immer, dass der eigene Angebotspreis über dem des Konkurrenten liege. Eine schlechtere Bewertung im Kriterium Qualität bedeute, dass die Zahl der angebotenen Standorte bzw. Standortfähigkeiten unterhalb der Angaben im Angebot des Konkurrenten lägen. All dies ergebe sich aus den Darlegungen der Ag im Schreiben vom 2. September 2021. Dem Sinn und Zweck des § 134 Abs. 1 GWB sei damit genügt worden. Eine Offenlegung der qualitativen Punktwerte der ASt komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die ASt dann auf die Werte der Bg zurückrechnen könne. Soweit die ASt insofern in ihrem Schriftsatz vom 27. Oktober 2021 gegenteilig vorgetragen hat, hat die Bg in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass ein Rückrechnen auf die entsprechenden Angaben der Bg sehr wohl möglich sei. Denn es komme, entgegen der ASt, für die Rückrechenbarkeit nicht auf die Angaben zu den Fahrzeugen der Ag an. Dieser Wert sei bei allen Bietern in gleicher Weise zugrunde zu legen und daher bei der Rückrechnung vernachlässigbar.
Des Weiteren hält die Bg die Rüge der unterlassenen Losaufteilung für nach § 160 Abs.3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, was näher dargelegt wird. Auch fehle der ASt insofern die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB; denn die ASt habe gerade ein Angebot abgeben können und sei nicht infolge fehlender Losaufteilung daran gehindert gewesen.
Die Rügen der ASt hinsichtlich der Wertungsgrundlagen bzw. der ordnungsgemäßen Angebots-wertung sowie des Ausschlusses der Bg nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB hält die Bg für unbegrün-det, was im Einzelnen näher dargelegt wird. Insbesondere im Hinblick auf den Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB legt die Bg in ihrer Stellungnahme vom 6. Oktober 2021 Näheres zu
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ihren Mitgliedern und ihrer Marktstärke dar, was sie gegenüber der ASt als Betriebs- und Ge-schäftsgeheimnis deklariert hat.
3. Auf die ausgetauschten Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten sowie die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die in elektronischer Form vorgelegten Vergabeakte wird verwiesen. Die fünfwöchige Entscheidungsfrist wurde mit Verfügung der Vorsitzenden bis zum 5. November 2021 verlängert.
Mit Schreiben vom 7. und 15. Oktober 2021 hat die Vergabekammer den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt, dass die Kammer den erteilten Zuschlag nach vorläufiger Ansicht für wirksam erachte und der hilfsweise Feststellungsantrag der ASt nach § 135 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 GWB daher un-begründet sei, der Hauptantrag wegen des vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erfolgten wirksamen Zuschlags nicht mehr statthaft sei.
Die Vergabekammer hat der ASt und der Bg Akteneinsicht im gesetzlich gebotenen Umfang nach § 165 Abs. 2 GWB erteilt, indem diesen jeweils teilgeschwärzte Fassungen des Vergabevermerks der Ag vom 13. September 2021 in Kopie übermittelt wurden. Soweit die ASt mit ihrer Stellung-nahme vom 14. Oktober 2021 eine darüber hinausgehende Akteneinsicht begehrt, wird dieser Antrag abgelehnt. Das Akteneinsichtsrecht gemäß § 165 Abs. 1 GWB besteht nur in dem Umfang, wie es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte des betreffenden Verfahrensbeteiligten erfor-derlich ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2021, VII-Verg 9/21 sowie Beschluss vom 18. August 2021, VII-Verg 52/20). Nach dem am 13. September 2021 erteilten Zuschlag war für den Nachprüfungsantrag eine Klärung erforderlich, ob das Vorabinformationsschreiben vom 2. September 2021 die Gründe der Nichtberücksichtigung des Angebots der ASt hinreichend be-nannt hat. Die maßgeblichen Schreiben der Ag vom 2. und 10. September 2021 waren der ASt bereits vorprozessual bekannt und wurden von ihr mit dem Nachprüfungsantrag zur Akte ge-reicht, so dass eine Akteneinsicht insofern entbehrlich war. Aus der Vergabeakte war vor diesem Hintergrund nur noch der Vergabevermerk in dem nach § 165 Abs.2 GWB gebotenen Umfang offenzulegen, als daraus maßgeblich der Ablauf des Vergabeverfahrens sowie der Vorgang um die Zuschlagserteilung ersichtlich wird. Das ist mit der am 8. Oktober 2021 an die ASt gewährten Akteneinsicht gemäß § 165 Abs. 2 GWB erfolgt. Eine darüberhinausgehende Offenlegung weite-rer Teile der Vergabeakte, insbesondere die von der ASt reklamierte Auswertung ihres Angebots, kommt danach im Wege der Akteneinsicht nach § 165 GWB nicht mehr in Betracht. Darüber hinaus würde die Offenlegung der Bepunktung des Angebots der ASt eine Rückrechenbarkeit auf Angebotspreis und Qualitätsinhalt des Angebots der Bg ermöglichen, so dass der Schutz von
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Geschäftsgeheimnissen der Bg einer weitergehenden Akteneinsicht ebenfalls entgegensteht, § 165 Abs. 2 GWB.
II.
1. Soweit die ASt in der Hauptsache festzustellen beantragt hat, dass die Ag bei dem streitge-genständlichen Vergabeverfahren gegen die im Einzelnen vorgebrachten Vergabevorschriften verstoßen haben, steht der Zulässigkeit der am 13. September 2021 an die Bg erteilte Zuschlag entgegen, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 – X ZB 14/00). Dieser Zuschlag durfte auf das Vorabinformationsschreiben der Ag vom 2. September 2021, das den gesetzlichen Anforderungen von § 134 Abs. 1 GWB genügt, nach Ablauf der zehn-tägigen Wartefrist nach § 134 Abs. 2 Satz 2 GWB erteilt werden und war damit wirksam, was sich im Einzelnen aus den folgenden Feststellungen zu 3. ergibt.
2. Die hilfsweise nach § 135 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 GWB begehrte Feststellung der Unwirksamkeit des Zuschlags an die Bg vom 13. September 2021 ist zulässig.
a) Der Antrag wurde ohne Weiteres innerhalb der Fristen nach § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB gestellt.
b) Soweit die Ag meinen, der Nachprüfungsantrag sei von vornherein nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB verfristet gewesen, weil er nicht innerhalb der Frist von 15 Kalendertagen nach Ein-gang der Mitteilung der Ag, den Rügen der ASt nicht abhelfen zu wollen, gestellt worden sei, geht diese Ansicht fehl. Die ASt wurde durch Schreiben der Ag vom 10. September 2021 über die Nichtabhilfe informiert; den Nachprüfungsantrag hat sie am Montag, den 27. September 2021 bei der Vergabekammer noch rechtzeitig gestellt. Entgegen der Ansicht der Ag lief die Antragsfrist nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB nicht bereits am Samstag, den 25. September 2021 ab, der rein rechnerisch der 15. Kalendertag nach Erhalt des Nichtabhilfeschreibens vom 2. September 2021 gewesen wäre.
Für die Berechnung der Frist nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB gelten im Hinblick auf § 31 Abs. 1 VwvfG (Bund) die Vorschriften der §§ 187 bis 193 BGB entsprechend. Aus dem für das Fristende hier anzuwendenden § 193 BGB folgt, worauf die ASt zutreffend hinweist, dass das rein rechnerisch auf Samstag, den 25. September 2021 fallende Fristende auf den Ablauf des nächsten Werktags, mithin Montag, den 27. September 2021 hinausgeschoben wird (vgl. nur Wiese, Röwekamp u.a. (Hrsg.), Kommentar zum GWB, 5. Aufl. 2020, § 160 Rdnr. 167).
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c) Die ASt ist ihrer Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB hinsichtlich der als unzureichend bemängelten Vorabinformation vom 2. September 2021 rechtzeitig nachgekom-men. Sie hat den von ihr behaupteten Verstoß gegen § 134 Abs. 1 GWB jedenfalls mit ihrem Schreiben vom 9. September 2021 und damit rechtzeitig binnen der Frist von zehn Kalendertagen nach Erkennen eines möglichen Vergaberechtsverstoßes gerügt. Aus diesem Schreiben ergab sich bei Anwendung des für die Auslegung maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts klar und unmissverständlich, dass die ASt die ihr am 2. September 2021 mitgeteilten Gründe für un-zureichend hält und insofern von den Ag Abhilfe begehrte.
d) Die ASt ist im Hinblick auf den Feststellungsantrag nach § 135 Abs. 2 GWB auch ohne Weite-res antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB. Ebenso hat sie ein entsprechendes Feststellungsin-teresse, denn nur bei Feststellung der Unwirksamkeit der Auftragserteilung kann die von der ASt begehrte Überprüfung des Vergabeverfahrens in der Sache stattfinden.
3. Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Zuschlagserteilung nach § 135 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 GWB ist allerdings unbegründet. Der von der ASt bemängelte Verstoß gegen § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB liegt nicht vor, die seitens der Ag im Schreiben vom 2. September 2021 mitgeteilten Informationen waren als Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots der ASt hinreichend.
Für die im Vorabinformationsschreiben mitzuteilenden Gründe der Nichtberücksichtigung kommt es darauf an, dass dem Sinn und Zweck der Vorabinformationspflicht nach § 134 Abs. 1 GWB genügt wird, wie er bereits im Erwägungsgrund Nr. 6 der EU-Richtlinie 2007/66/EG vom 11. De-zember 2007 zur Änderung u.a. der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG festgehalten worden ist. Die mitgeteilten Gründe müssen danach so aussagekräftig sein, dass sie es einem betroffenen Bieter ermöglichen, die Zuschlagsentscheidung zu prüfen und zu beurteilen, ob ein Nachprü-fungsverfahren eingeleitet werden sollte. Die Vorabinformation soll den Bietern daher alle rele-vanten Informationen zur Verfügung stellen, die für sie unerlässlich sind, um eine für geboten erachtete Nachprüfung beantragen zu können (vgl. Maimann, in: Röwekamp u.a. (Hrsg.), GWB Kommentar, 5. Aufl. 2020, § 134 Rdnr. 27). Diesen Maßstäben wird die im Schreiben vom 2. September 2021 gegebene Begründung in konkreten Fall gerecht.
a) Die Ag haben in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass das Angebot der ASt nach den von den Ag im Verfahrensleitfaden (Ziffer 6) vorab bekannt gegebenen Kriterien und der Bewer-
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tungsmatrix bewertet worden ist und in deren Anwendung nicht das wirtschaftlichste sei. Als Be-gründung wurde auf die beiden Zuschlagskriterien Preis und Qualität verwiesen, in denen die ASt nach den Ausführungen im Schreiben jeweils weniger Punkte erreicht hat als der wirtschaftlichste Bieter, was – wie ebenfalls mitgeteilt wurde – das Angebot der Bg gewesen sei. Nach dem für das Verständnis der in diesem Schreiben mitgeteilten Informationen maßgeblichen Empfängerhori-zont eines verobjektivierten fachkundigen Bieters als Erklärungsempfänger ergab sich aus dieser Aussage in Zusammenschau mit den Wertungskriterien und der Bewertungsmatrix nachvollzieh-bar und unmissverständlich, dass die ASt in preislicher Hinsicht teurer war als das Konkurren-zangebot und in qualitativer Hinsicht weniger Standorte bzw. Standortfähigkeiten für die gemäß Bewertungsmatrix im Einzelnen vorgegebenen Leistungskategorien aufwies. Anders also, als z.B. bei der Bewertung von inhaltlichen Konzepten im Rahmen qualitativer Zuschlagskriterien, die im Einzelfall eine konkretere Darlegung der Gründe gebieten können, wenn die Nichtberück-sichtigung für den Zuschlag darauf zurückzuführen ist, konnte die ASt aus den ihr mitgeteilten Informationen unmittelbar ableiten, warum ihr Angebot in concreto nicht bezuschlagt worden ist. Die Wertung war vielmehr das Ergebnis eines mathematischen Prozesses und die arithmetische Ermittlung der Punktzahl bedarf im hiesigen Fall keiner über die Berechnungsgrundlage hinaus-gehenden Erläuterung. Die ASt war daher in Kenntnis der ihr ja selbst bekannten Anzahl ihrer Standorte/Standortfähigkeiten ohne Weiteres in der Lage, anhand der als Zuschlagsprätenden-ten mitgeteilten […]Bietergemeinschaft zu prüfen und zu beurteilen, ob bzw. inwieweit ein Unter-liegen der ASt im Hinblick auf die relevanten qualitativen Aspekte plausibel ist oder nicht. Soweit sie insbesondere die Ergebnisse für die einzelnen Standortfähigkeiten nach den Ziffern 1.1 bis 1.6 des Zuschlagskriteriums Qualität gemäß der Bewertungsmatrix sowie die sich hieraus für die ASt ergebenden anteiligen Punkte begehrt, gibt ihr diese Information keinen im Sinne des § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB relevanten Mehrwert. Denn die Aussage im Absageschreiben, wonach das Angebot der ASt weniger Qualitätspunkte erhalten habe als das der Bg, impliziert zwangsläufig, dass die ASt über weniger Standorte/Standortfähigkeiten verfügt als die Bg. Die Ag musste diese Aussage nicht noch einmal explizit verbalisieren, um dem Begründungserfordernis des § 134 GWB zu genügen. Dementsprechend war die ASt in der Lage, anhand der Vorabinformation ei-nen etwaigen Rügebedarf prüfen und vortragen zu können. Diese Informationen genügen dem Zweck des § 134 GWB. Soweit die ASt einen größeren Tiefgang der mitzuteilenden Information in Gestalt der ihr Angebot betreffenden Punktwerte begehrt, so ergibt sich damit im Hinblick auf die konkreten Umstände aus § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB jedenfalls kein entsprechender Anspruch.
Das Schreiben der Vergabestelle der Ag vom 10. September 2021 enthielt keine weiteren Gründe der Nichtberücksichtigung, die in der Vorabinformation zu benennen gewesen wären, um die
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Wartefrist des § 134 GWB wirksam in Gang zu setzen. Dass die ASt in allen Aspekten des Zu-schlagskriteriums Qualität schlechter bewertet worden ist, ergab sich nach dem objektiven Emp-fängerhorizont bereits aus dem Schreiben vom 2. September 2021. Daher war auf das Schreiben vom 10. September 2021 auch keine erneute Wartefrist nach § 134 Abs. 1 Satz 2 GWB in Gang zu setzen und der Zuschlag wurde am 13. September 2021 nach Ablauf der Frist von 10 Kalen-dertagen nach Absendung der Vorabinformation vom 2. September 2021 wirksam erteilt. Die Ag haben in der Auftragsbekanntmachung (Ziff. VI.4.2 am Ende) auch explizit darauf hingewiesen, dass die Wartefrist nach § 134 GWB mit anschließender Zuschlagserteilung auch dann abläuft, wenn eine Rüge ausgesprochen wird, so dass die ASt hieraus hätte ableiten können, dass die Stellung eines Nachprüfungsantrags binnen der Wartefrist geboten gewesen wäre.
b) Im Schreiben vom 2. September 2021 wurden ferner die von § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB vo-rausgesetzten Informationen zum Namen des Zuschlagsempfängers und des frühestmöglichen Zeitpunktes des Vertragsschlusses unter Nennung des konkreten Datums (13. September 2021) korrekt und hinreichend mitgeteilt. Soweit die ASt in ihrem Schriftsatz vom 27. Oktober (S. 4) vorträgt, es fehle seitens der Ag eine Information dazu, ob die Mitglieder Bietergemeinschaft ge-samtschuldnerisch oder die Bg selbst gegenüber den Ag haften, weil im letzteren Fall die erfor-derliche Anerkennung als Überwachungsorganisation fehle, war diese keine gebotene Informa-tion im Sinne von § 134 Abs. 1 GWB. Durch die Mitteilung, dass die Bietergemeinschaft der Bg den Zuschlag erhalten solle, wurden dem Zweck des § 134 GWB genügt. Die Bg war nach Kennt-nis des Umstandes, dass die Bg als Bietergemeinschaft bezuschlagt werden soll, in der Lage, die von ihr dargelegte Problematik konkret zu erkennen und gegenüber den Ag als möglichen Verga-berechtsverstoß zu benennen, damit diese eine entsprechende Prüfung hätten veranlassen kön-nen. Das zeigt auch der Vortrag der ASt im Schriftsatz vom 27. Oktober 2021, so dass es keiner weiteren Angaben im Schreiben nach § 134 GWB zur Eignung o.ä. der Bg bedurfte. Es würde eine völlige Überspannung der Begründungspflicht nach § 134 GWB darstellen, wenn man dem öffentlichen Auftraggeber hier abverlangen würde, eine vollständige „Rechtfertigung“ seines Zu-schlagsergebnisses in den jeweiligen Absageschreiben zu verlangen.
4. Da der Feststellungsantrag nach § 135 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 GWB damit unbegründet ist, ist der Zuschlag wirksam erteilt und steht dem Nachprüfungsbegehren im Hauptantrag entgegen. Dieser ist mithin, s.o. sub 1., nicht statthaft, das Nachprüfungsverfahren ist nicht mehr eröffnet. Daher kommt es auf die weiteren Beanstandungen der ASt sowie auf die Frage, ob diese recht-zeitig im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GWB gerügt worden sind, nicht mehr an.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 182 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 und 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1, 2, und 3 Satz 2 VwVfG.
1. Da die ASt mit ihren Anträgen sämtlich unterliegt, trägt sie die Kosten (Gebühren und Ausla-gen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auf-wendungen der Ag und der Bg.
2. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag war notwendig, § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB, § 80 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 VwVfG (Bund).
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprü-fungsverfahren bedarf einer einzelfallgerechten Betrachtung, abstellend auf den Zeitpunkt der Hinzuziehung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; vgl. ferner OLG Düs-seldorf, Beschluss vom 3. März 2021, VII-Verg 33/20 sowie Beschluss vom 10. März 2021, VII-Verg 45/20). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung hängt somit davon ab, ob der jeweilige Verfah-rensbeteiligte nach den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sach-verhalt aufgrund der bekannten bzw. erkennbaren Tatsachen zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung bzw. -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Maßgeblich zu berücksichtigen ist der Grad der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhaltes, die Überschaubarkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen sowie persönliche Umstände wie u.a. die sachliche oder personelle Ausstattung des Verfahrensbeteiligten (BGH, a.a.O.; OLG Düssel-dorf, a.a.O.).
Vor dem Hintergrund dieser Maßgaben kann die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag als notwendig anerkannt werden. Insoweit ist anzumerken, dass das Nachprüfungsver-fahren durch nicht nur einfach gelagerte auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen gekenn-zeichnet war. Vielmehr erforderte es der Nachprüfungsantrag auf Seiten der Ag, auf eine Reihe prozessualer Fragen des Nachprüfungsverfahrens einzugehen, so u.a. zur Rügeobliegenheit so-wie zur möglichen Verfristung des Nachprüfungsantrags. Vor allem aber ergab sich durch den bereits am 13. September 2021 erteilten Zuschlag die Notwendigkeit, sich mit Fragen der Zuläs-sigkeit von Haupt- und Hilfsantrag auseinanderzusetzen, so dass eine besondere Komplexität der rechtlichen Bewertung vorlag. Ergänzend spricht der Aspekt der Waffengleichheit für die Hin-zuziehung anwaltlichen Beistands auf Seiten der Ag.
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3. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Bg war erforderlich. Bieterunternehmen müssen das Vergaberecht grundsätzlich nicht vertieft beherrschen, insbesondere auch nicht in den prozessualen Bezügen, die sich im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens stellen.
IV.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat -, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzu-legen.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegrün-dung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel ange-ben, auf die sich die Beschwerde stützt.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Be-schwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Verga-bekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

Nach wirksamer Zuschlagerteilung ist ein Nachprüfungsantrag auf Feststellung eines Vergabeverstoßes unzulässig.

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