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Kanzlei mit Vergaberecht für öffentliche Auftraggeber, Vergabestellen sowie Bewerber und Bieter

Begleitung aller Vergabeverfahren, Fachanwalt für Vergaberecht, EU-Vergaberecht, nationales Vergaberecht, e-Vergabe, öffentliche Ausschreibung, Schwellenwerte, Konzessionen, Zuwendungen, GWB, VgV, UGVO, VoB/A, Rüge, Nachprüfungsverfahren, Zuschlag, vorzeitige Beendigung der Vergabe, Schadensersatz, erneute Vergabe

Neuerungen im deutschen und europäischen Vergaberecht

Das Vergaberecht wird regelmäßig an neue wirtschaftliche, soziale und technologische Anforderungen angepasst. Sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene gab es in letzter Zeit wichtige Änderungen, die den Rechtsrahmen für öffentliche Ausschreibungen und die Vergabe öffentlicher Aufträge modernisieren:


1. Neuerungen im deutschen Vergaberecht

a. Modernisierung des Vergaberechts

  1. Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Vergabeverfahren:
    • Einführung von Nachhaltigkeitskriterien: Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, bei der Vergabe von Aufträgen verstärkt Umwelt- und Klimaschutzaspekte zu berücksichtigen.
    • Normen: § 97 Abs. 3 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) und § 2 VgV (Vergabeverordnung).
    • Beispiel: Bei Bauaufträgen wird die Verwendung nachhaltiger Materialien oder energieeffizienter Technologien bevorzugt.
  2. Erweiterung sozialer Kriterien:
    • Auftraggeber dürfen soziale Kriterien wie Tariftreue, Mindestlohn und die Förderung von Frauen und Minderheiten stärker gewichten.
    • Ziel: Förderung fairer Arbeitsbedingungen und sozialer Gerechtigkeit durch die Vergabe öffentlicher Aufträge.
  3. Innovationsförderung:
    • Neue Regelungen erlauben es, Innovationen stärker zu berücksichtigen. Pilotprojekte oder Forschungsvorhaben können gezielt ausgeschrieben werden.
    • Normen: § 119 Abs. 4 GWB (Innovationspartnerschaft).

b. Vereinfachung und Digitalisierung

  1. Elektronische Vergabe (E-Vergabe):
    • Verpflichtender Einsatz von elektronischen Plattformen für Vergabeverfahren.
    • Ziel: Vereinfachung der Verfahren, Erhöhung der Transparenz und Reduktion der Verfahrensdauer.
  2. Zentralisierte Beschaffung:
    • Einführung von Rahmenverträgen, die zentrale Beschaffungsstellen für mehrere öffentliche Auftraggeber abschließen können.
    • Vorteil: Bündelung von Bedarfen und Kostensenkung.

c. Anpassung der Wertgrenzen

  1. Erhöhung der Wertgrenzen für freihändige Vergaben:
    • Die Schwellenwerte für beschränkte Ausschreibungen und Verhandlungsvergaben wurden erhöht, um kleinere Projekte schneller abzuwickeln.
    • Beispiel: Länder wie Bayern und NRW haben temporär erhöhte Wertgrenzen eingeführt, um die Konjunktur zu stärken.
  2. Vergabe von Bauaufträgen:
    • Für Bauaufträge gelten seit 2024 leicht angepasste Wertgrenzen, um den Bürokratieaufwand zu verringern.

2. Neuerungen im europäischen Vergaberecht

a. Nachhaltigkeit und Green Public Procurement (GPP)

  1. Verpflichtung zur Berücksichtigung von Umweltzielen:
    • Die Europäische Kommission hat 2024 neue Leitlinien zur umweltfreundlichen Beschaffung veröffentlicht.
    • Ziele: Reduktion von CO₂-Emissionen und Förderung der Kreislaufwirtschaft.
    • Praktische Auswirkungen:
      • Öffentliche Auftraggeber müssen nachweisen, wie Umweltziele bei der Vergabe berücksichtigt wurden.
      • Einführung von Lebenszykluskosten (Life Cycle Costing, LCC) als Kriterium bei Ausschreibungen.
  2. Richtlinien zur Beschaffung nachhaltiger Produkte:
    • Neue Mindeststandards für Produkte wie IT-Geräte, Baustoffe und Fahrzeuge.

b. Anpassung der EU-Vergaberichtlinien

  1. Digitalisierung und Transparenz:
    • Einführung von elektronischen Plattformen für die grenzüberschreitende Vergabe.
    • Einheitliches digitales Beschaffungsdokument (ESPD) wurde vereinfacht, um die Teilnahme von KMUs zu erleichtern.
  2. Schwellenwerte:
    • Anpassung der EU-Schwellenwerte (alle zwei Jahre):
      • Für Bauaufträge: 5.382.000 €.
      • Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge: 215.000 €.
      • Hintergrund: Sicherstellung, dass EU-weit einheitliche Regeln für Aufträge oberhalb dieser Schwellen gelten.

c. Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMUs)

  1. Erleichterter Zugang für KMUs:
    • Aufteilung großer Aufträge in kleinere Lose, um KMUs eine Teilnahme zu ermöglichen.
    • Lockerung der Anforderungen an Referenzen und finanzielle Leistungsfähigkeit.
  2. Verbesserung der Zahlungspraxis:
    • Einführung von EU-weit verbindlichen Zahlungsfristen für öffentliche Auftraggeber, um KMUs vor Liquiditätsengpässen zu schützen.

d. Sanktionsmechanismen und Compliance

  1. Stärkere Bekämpfung von Korruption:
    • Einführung von EU-weiten Blacklists für Unternehmen, die gegen Vergaberecht verstoßen haben.
    • Regelungen zur Transparenz: Auftraggeber müssen detaillierte Vergabeverfahren dokumentieren und veröffentlichen.
  2. Datenschutz in Vergabeverfahren:
    • Berücksichtigung der DSGVO bei der Verarbeitung von Bewerberdaten und Angeboten.

Zukünftige Entwicklungen im Vergaberecht

  1. Nachhaltige Beschaffung:
    • Nachhaltigkeitskriterien werden weiter an Bedeutung gewinnen, einschließlich der Förderung von CO₂-neutralen Produkten und Dienstleistungen.
  2. EU-weite Harmonisierung:
    • Weitere Angleichung der nationalen Vergabeverfahren durch eine mögliche neue EU-Vergaberichtlinie.
  3. KI und digitale Tools:
    • Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Bewertung von Angeboten und zur Erkennung von Korruption.
  4. Stärkung der sozialen Dimension:
    • Vermehrter Einsatz sozialer Kriterien wie Inklusion und Geschlechtergerechtigkeit in der öffentlichen Beschaffung.
  5. Krisenresilienz:
    • Entwicklung von Regelungen, die es öffentlichen Auftraggebern erleichtern, in Krisensituationen schnell und rechtssicher zu handeln (z. B. während der Pandemie).

Zusammenfassung

Das Vergaberecht in Deutschland und Europa entwickelt sich zunehmend in Richtung Nachhaltigkeit, Digitalisierung und soziale Verantwortung. Die neuen Regeln sollen die Verfahren transparenter, fairer und umweltfreundlicher gestalten, während gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit kleiner Unternehmen gefördert wird. In der Zukunft wird der Fokus auf innovativen Technologien und der Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klimawandel und Lieferkettenstabilität liegen.

Neuerungen im deutschen und europäischen Vergaberecht

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